Die Tageszeitung "Hallische Nachrichten" vom 29.09.1928 enthielt den nachstehenden, interessanten Beitrag.
Beachtenswert ist, dass die darin angesprochenen Planung überwiegend bereits auf den Fahrscheinen - die damals ein schematisches Streckennetz zeigten - enthalten waren.
Einige dieser Projekte wurden - wenn überhaupt - erst mehr als 75 Jahre später bzw. sogar niemals realisiert.
Anmerkung: Unterstichene Textpassagen sind im Original g e s p e r r t gedruckt.
Das Bauprogramm 1929 der Straßenbahn[/size]
[size=150]Erweiterung der Verkehrszonen der Straßenbahn. - Die Erschließung von Halle=Ost und Halle=Süd. - Ein Wagenhallen-Bauvorhaben in Halle=Süd. - 20 neue Motorwagen. - Versuche mit neuen Sitzanordnungen.
Wie wir hören, bereitet die Straßenbahnverwaltung für den Ausgang dieses Jahres und für das Jahr 1929 ein Bauprogramm vor, das seinen Ausmaßen zufolge die Entwicklung der hallischen Straßenbahn, die heute schon den Ruf eines vorbildlichen Verkehrsinstituts hat, wiederum um ein gewaltiges Stück voranbringen wird. Die Verkehrszonen der Straßenbahn sollen erheblich erweitert werden. Es ist vorgesehen: Die Verlängerung der Strecke von der Artilleriekaserne bis zum Rosengarten, der Ausbau der Straßenbahn der Strecke Böllberg - Wörmlitz, der Bau des Verbindungsstückes zwischen den jetzigen Endpunkten der beiden Heidebahnen, die Streckenerweiterung in Trotha von der Ecke Oppiner Straße bis zum neuen Hafen und die Verbindung zwischen Halle und Reideburg von der Hindenburgbrücke aus über Diemitz . Darüber hinaus soll der Wagenpark der Straßenbahn um etwa 20 Motorwagen modernsten Typs ergänzt werden, und schließlich ist der Bau einer neuen Wagenhalle in Halle=Süd vorgesehen. Dieser groß angelegte Plan wird von einer Ausgestaltung der inneren Organisation begleitet.
Hierzu erfahren wir noch folgende Einzelheiten:
Durch den Ausbau der Linie 3 in der Beesener und Artilleriestraße wurde die Südstadt dem Straßenbahnverkehr erschlossen. Als nächster Bauabschnitt ist die Verlängerung der Strecke bis zum Rosengarten zu erwarten. Am 1. Oktober 1929 wird diese Strecke vertragsgemäß kostenlos für den Verkehr der hallischen Straßenbahn frei. Die Bauarbeiten werden am 1. Oktober 1929 unverzüglich aufgenommen. Die Linie 3 und 4, die beide zur Zeit eine Endhaltestelle an der Artilleriekaserne haben, werden später die Strecke bis Rosengarten befahren.
Auch mit dem Bau des Straßenbahnnetzes zwischen Böllberg und Wörmlitz ist spätestens im kommenden Jahr zu rechnen, um auch den neuen Siedlungen im Südwesten der Stadt die wirkliche Nutzung der Straßenbahn zu ermöglichen. Der Vollendung des Straßenbahnringes in der Heide stehen zur Zeit noch Schwierigkeiten entgegen. Doch besteht berechtigte Hoffnung, daß die Verhandlungen mit dem Fiskus in absehbarer Zeit abgeschlossen werden und daß mit der Schienenlegung am Heiderand begonnen werden kann. Ein Teilabschnitt dieser Streckennetzerweiterung wird in der nächsten Zeit in Angriff genommen werden: Die Weiterführung der Linie 8 von ihrem jetzigen Endhaltepunkt bis zum Heiderand.
Auch für den Ausbau der Straßenbahn im Osten der Stadt sind die Pläne bereits fest umrissen. Die Straßenbahn wird von der Hindenburgbrücke über Diemitz nach Reideburg gelegt und von Diemitz aus wird eine Abzweigung zu der nach Büschdorf führenden Chaussee, die zur Zeit von der Linie 9 befahren wird, geschaffen werden. Der Verkehr dieser neuen Strecke wird später als Schleifenverkehr so durchgeführt werden, daß ein Wagen der Linie 6 über Schlachthof und Diemitz, also links herum, der nachfolgende Wagen der Linie 6 über die Stadtgrenze an der Delitzscher Straße, nach Diemitz, also in der Schleife rechts herum geführt wird.
Für den Ausbau des Streckennetzes von der Oppiner Straße bis zun neuen Hafen besteht zur Zeit noch keine dringende Notwendigkeit. Man verfolgt die Siedlungstätigkeit im Norden der Stadt jedoch mit aufmerksamen Augen. Sobald eine größere Zahl neuer Siedlungen hier ausgeführt ist, wird man unverzüglich den Ausbau der Strecke in Angriff nehmen. Es schweben außerdem Erwägungen, den Straßenbahnverkehr bis Lettin auszubauen, Erwägungen, die greifbare Form bisher noch nicht angenommen haben. Ein Zubringerverkehr bis zum Endpunkt der Linie 8 könnte hier wichtige Dienste leisten.
Im Verfolg dieses Programmes wird auch der Wagenpark der hallischen Straßenbahn eine Erweiterung erfahren. Ihre Notwendigkeit ist kurz skizziert: Die hallische Straßenbahn verfügt zur Zeit über 155 Motorwagen und 111 Anhängewagen. Nach statistischen Berechnungen ist in einer dicht besiedelten Industriestadt im Durchschnitt auf 1000 Bewohner ein Motorwagen erforderlich. Halle müsste also annähernd die Zahl von 200 Motorwagen erreichen. Wie wir hören, ist beabsichtigt, dem Wagenpark in der nächsten Zeit 20 neue Motorwagen des bekannten neuen Typs einzureihen. Daß diese Wagenparkerweiterung dringend notwendig ist, zeigen auch die Verkehrsziffern. Die hallische Straßenbahn befördert jetzt täglich etwa 120 000 Fahrgäste gegenüber 110 000 Personen vor Jahresfrist und 83 000 Personen im Jahre 1925.
Die Vergrößerung des Wagenparks lenkt den Blick auf die zur Zeit bestehenden Wagenhallen. Da zeigt es sich, daß die beiden zur Verfügung stehenden Hallen in der Freiimfelderstraße und in der Seebener Straße schon bei der jetzigen Wagenzahl fast bis zum letzten Platz besetzt sind. Wie wir hören, steht denn auch der Bau einer neuen Wagenhalle unmittelbar bevor. Aus praktischen Erwägungen heraus kommt als Platz für die neue Halle nur der Süden der Stadt - entweder Gelände an der Beesener oder Artilleriestraße oder in Böllberg - in Betracht.
Interessant ist in diesem Zusammenhang, daß voraussichtlich im Dezember ein Versuchswagen in den Betrieb der Straßenbahn eingestellt wird. Der Versuchswagen ist mit verschiedenen technischen Neuerungen versehen und wird, was allgemein interessiert, eine neue Anordnung der Sitzbänke bringen. Die bisherige Anordnung wird dabei insofern geändert, als an den Ausgängen die Sitzbank in Längsrichtung aufgestellt wird, während die übrigen Sitzbänke wie bisher in Querrichtung Aufstellung finden. Durch diese Neuanordnung der Plätze an den Ausgängen soll ein beschleunigtes Aus- und Einsteigen ermöglicht werden.