"Mitteldeutsche Zeitung" vom 16.04.1991
Die Saalestadt Halle schrieb in Deutschland und Europa Verkehrsgeschichte (Schluß)
1963 hielt die Zahlbox Einzug
Straßenbahn - ein Verkehrsmittel der Zukunft
Mit diesem Beitrag schließt unser Autor Edgar Kluge von der Halleschen Verkehrs AG seine achtteilige Serie über 100 Jahre elektrische Straßenbahn. Im letzten Beitrag beschäftigt er sich mit der jüngsten Entwicklung des wichtigen Verkehrsmittels:
Am 1. Juli 1951 hatte Halle mit dem "Rat Landeshauptstadt Halle, Straßen und Überlandbahn" verwaltungsmäßig einen einheitlichen Nahverkehrsbetrieb. Eine wirkliche Einheit zwischen städtischer und Überlandbahn wurde jedoch nie richtig vollzogen. Mit Ausnahme der Inbetriebnahme der ersten Tatra-Wagen Anfang der 70er Jahre wurden immer die ältesten Fahrzeuge von Halle zur Überlandbahn umgesetzt. Auch die strikte Tariftrennung wurde erst 1991 von der HAVAG überwunden. Im Verkehrsdienst besteht bis heute noch eine strikte Trennung zwischen Überlandbahn und Linien der Stadt Halle.
Die Zeiten der Verkehrsbetriebe Halle (VBH) waren wechselvoll. Von 1957 bis 1990 war der Taxibetrieb angegliedert. Die Art der Bezahlung des Fahrgeldes änderte sich. Wegen Personalmangels verschwand schrittweise der Schaffner. Zuerst verkehrten ab 1957 die Triebwagen ohne Schaffner, dem folgte 1962 der ZZ-Verkehr, das heißt, der 1. Beiwagen ohne Schaffner war nur Fahrgästen mit Zeitkarten vorbehalten. Sehr oft war deshalb ein mäßig besetzter Triebwagen, ein fast leerer 1. Beiwagen und ein überfüllter 2. Beiwagen, durch den sich ein Schaffner quälte, zu beobachten. Doch schon 1963 hielt die Zahlbox Einzug.
Auch an Halle ging die Zeit der 60er Jahre, wo man meinte, die Bimmel sei veraltet, nicht spurlos vorbei. Fehlerhafte kommunalpolitische Entscheidungen wirken bis heute nach. So wurden die wichtigsten Ost-West-Verbindungen Markt-Thälmannplatz (1967) und Rannischer Platz-Thälmannplatz (1969) ersatzlos eingestellt. Dem folgte 1968 die Strecke Merseburg-Süd nach Frankleben und 1971 noch die Strecke nach Reideburg.
Halle-Neustadt erhielt u.a. aufgrund bestellter "Gutachten" erst gar keinen Anschluß. Viel schlimmer, Kommunalpolitiker installierten ein separates Busnetz, wobei immer darauf geachtet wurde, daß ja kein günstiger Übergang zur Straßenbahn nach Halle bestand. Erst kürzlich wurden mit der Einführung der Buslinien 42 und 37 erste Schritte zum Zusammenwachsen beider Netze unternommen.
Die 70er Jahre waren gekennzeichnet durch den zweigleisigen Ausbau der Überlandbahn nach Dürrenberg und durch Streckenverlängerungen in der Südstadt. Dem folgte 1981 der Neubau Böllberg-Südstadt und 1982 die Strecke nach Beesen.
In den 80iger Jahren zog der Entwerter ein. Zuerst der störanfällige Stempelentwerter und später der Lochentwerter.
Im Jahre 1990 wurde die HAVAG gegründet. Die aus Stuttgart und Freiburg gelieferten 40 Fahrzeuge sind ein erster Schritt zur Modernisierung des Wagenparks. Dazu kommen noch die ersten umgerüsteten Tatra-Fahrzeuge.
Zum Jubiläum eröffnet am 23. April im Stadtmuseum Lerchenfeldstraße eine Ausstellung "100 Jahre elektrische Straßenbahn", weitere interessante Einblicke gibt.